In der Welt kursiert eine Menge an esoterischem Zeug herum, dass sich abwechselnd zwischen Hippie- oder Verschwörungstheorie bewegt. Allen gemein das Versprechen, das Glück aus dem Blau vom Himmel fallend, würde nur um die Ecke warten. Der Schlüssel dazu sei zum Greifen nah, halte man sich nur an die großen Prophezeiungen, die sich hinter dem überdimensionierten blauen PayPal-Kauf-Button verbergen.
Gefährlich, denn das Gefühl was einem zum Geldrauswurf verleitet, entstammt oft eben jenem Instinkt, dass es mehr Wahrheit in der Welt gibt als den Aktienindex und der Schwerkraft, oder zumindest mehr, als der Mensch in der Lage ist wahrzunehmen oder gar in Daten zu Messen.
Entweder man glaubt an etwas oder eben nicht, aber selbst das „nicht glauben“ bleibt nun mal ein Glaube und das, genau betrachtet, nicht mal ohne Religion.
Der Fluch der Menschheit ist, bei allen religiösen Konflikten der Zeit, niemals der Glaube an sich, sondern der Glaube „zu wissen“.
Eines Tages begann ich meinem eigenen Glauben zu folgen, nicht ahnend, wie weit er mich tragen würde. Ich teile ihn nicht. Missionare nerven.
An Zufälle, glaube ich nicht mehr. Am Ende ist es, als wenn man nicht die eigene Zukunft sehen, aber denn noch fühlen kann. Je mehr man sich diesem Zustand nähert, desto schneller und fester reist einen der Zug des Lebens auf der Schiene des Schicksaals mit sich, desto weniger Überraschung, desto weniger Trauer, desto weniger Freude empfindet man.
Nicht zu wissen, ist das wahre Geschenk der Menschheit.
Es gibt so viele Weisheiten auf dieser Welt, eigentlich alle denkbaren, wenn man sie nur erkennt. Ein einfaches und pragmatisches Beispiel: Dreh den Wasserhahn auf und erkenne mit etwas Ehrfurcht und entzücktem Glück, um welch einen Luxus es sich hier handelt, der dir zu Teil wird. Dazu muss man weder in der Wüste dem Verdursten entronnen sein noch jahrelang in einer apokalyptischen Welt mit saurem regen ausharren. Jemand der die Dinge niemals als selbstverständlich hinnimmt, hat nicht nur mehr davon, sondern auch weitaus mehr Perspektive und Sicherheit im Bezug auf Veränderungen. Und was ist schon ein Leben ohne Veränderungen. Letztlich nur eine Uhr, die tickt.
All diese Gedanken sind einem auf einer kleinen Insel mitten im Atlantik in einem kleinen, von der Außenwelt abgeschnittenen und hinter dem Vulkan ruhenden Dorf, das sich nur zu Fuß oder per Quad erreichen lässt, ziemlich fern, während man fünfhundert Meter vor der Küste etwas mit dem ertrinken ringt.
Abwechselnd Über- und Unterwasser versucht man die Formel aus Distanz, Strömung und verbleibender Kraft zu lösen, hinter dessen Gleichzeichen sich ein langsam, aber sicher ein Grabstein mit einem Fragezeichen auftut. Jetzt noch etwas Panik und das Ausrufezeichen wird überflüssig. Schon zu spät. Auffallend das die instinktive Angst vor dem eigenen Tod nicht mal ansatzweise die Stärke einer Panikattacke aufweist. Den Verlauf hätte ich mit dem inneren Auge gerne weiter beobachtet, aber die Prioritäten liegen in dem Moment dann doch woanders.
Das allgemeine Seenotzeichen mit gestreckter Hand wird währenddessen von den zwei eher arroganten Stand-Up-Paddlern ignoriert, die mit ihrem Paddel Richtung Felsen an Land zeigen, wo sich das vom Knöchel los gerissene Surfbrett zur Ruhe gelassen hat. Die Wut darüber bringt etwas Kraft. Genug um den Arm weiter ausgestreckt zu lassen. Für einen ehrenhaften, genügsamen Abschluss ist das alles einfach zu banal – und siehe da, der einzige andere Surfer kommt gerade von seiner Welle zurück ins Line-up gepaddelt, erkennt die Lage, handelt und spricht mir schwimmend nahezu professionell beruhigend zu, währen ich auf seinem Bord gen Land paddle. Dort angekommen ruhe ich mich etwas aus, rekapituliere und denke darüber nach, dass Leash auszutauschen und weiterzumachen, oder es doch lieber für heute dabei zu belassen und mich nach einer warmen Dusche mit einem Kaffee an den vom Vulkan geformten Meeressee (port. „Faja“) hinter mir zu setzen und mit der Angel das Abendbrot zu organisieren.
Ich entschied mich für Letzteres. Am Abend bedankte ich mich mit einer Dorade und Wein beim Retter, der, wie sich herausstellte, beruflich als Skipper arbeitet.
Auf dem Weg dorthin begegne ich noch einem Kameramann, der mit voller Ausrüstung die Surfer in den inzwischen vier Meter hohen Wellen filmt. Ein paar Tage später, als ich bereits am Check-In Schalter des kleinen und in den hohen Vulkanfels geschlagenen Flughafens stehe, erhalte ich einen Anruf. Ich schiebe das Ticket der Schalter-Dame entgegen, entschuldige mich mit einem „desculpo“ und mache mich auf den Weg zurück, um ihm ein paar Tage als Kameramann für eine Surf-/und Segel Dokumentation zu assistieren.